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Unterwegs in Litauen mit Kurt Bodewig und dem WDR
von: Peter Hertrampf am: 12.07.2012
Wir befinden uns auf der Radreise von Danzig nach Riga. Es ist die 2. Etappe der auf 3 Jahre angelegten Radtour Hamburg - St. Petersburg, die von der Landpartie in Zusammenarbeit mit dem ADFC Hamburg ins Leben gerufen wurde. Reiseidee und Umsetzung wurden im März 2012 bereits mit der Goldenen Palme von GEO Saison ausgezeichnet.
Die erste Hälfte unserer Radreise durch Polen und das Kaliningrader Gebiet, welches zu Russland gehört, haben wir erfolgreich auf allen erdenklichen Wegbelägen, bei wechselhaften Witterungsverhältnissen und vorbei an vergleichsweise wohlgesonnenen russischen Grenzbeamten gemeistert.
Gerade wir sind bei unserem Picknick am Strand bei Juodkrante auf der Kurischen Nehrung in Litauen.
Morgen soll Kurt Bodewig, Verkehrsminister von 2000 bis 2002 im Kabinett von Kanzler Gerhard Schröder, Schirmherr der Reise Hamburg – St. Petersburg und Honorarkonsul von Litauen, zu unserer Fahrradgruppe dazu stoßen.
Wie können wir diesen verdienstvollen Ehrengast überhaupt standesgemäß begrüßen? Dies ist die zentrale Frage bei unserem Picknick. Mit einem devoten Kniefall oder doch eher auf die volkstümliche Art mit einem Schlager von Frank Zander aus den 1980er Jahren: "Hier kommt Kurt, ohne Helm und ohne Gurt…". Wir verwarfen beide dieser extremen Begrüßungsformen und einigten uns dann einvernehmlich auf die allgemein anerkannte und wenig angreifbare Form des Handschlages.
Doch damit nicht genug: ein Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks (WDR) sollte uns am morgigen Tag begleiten. Die WDR-Bustour ist eine Art "Roadmovie", auf der der Redakteur mit einem Kamerateam in einem 40-Jahre alten VW-Bus durch das Baltikum fährt. Unterwegs treffen sie auf interessante Persönlichkeiten, wie unsere Landpartie-Fahrradgruppe – oh Entschuldigung: ich meine natürlich Kurt Bodewig auf einer Radreise durch Litauen zusammen mit unserer Fahrradgruppe.
Nun war der Tag gekommen. Das Kamerateam des WDR um Redakteur Christian Dassel wartete um 8 Uhr vor unserem Hotel in Klaipeda. Ich war zum einem erleichtert darüber, daß sie pünktlich erschienen sind, aber vor allem über die Tatsache, dass ihr VW-Bus mit einer noch dickeren Schicht baltischen Feinstaubes überzogen war als unser Landpartie-Begleitfahrzeug, welches ich noch am Vorabend für die anstehenden Filmaufnahmen aufräumte und reinigte.
Dann erschien auch Kurt Bodewig in der Hotellobby. Freundlich, direkt und zünftig in Radlerkleidung begrüßte er jeden Einzelnen von uns, und es schien, als sei er schon länger mit uns unterwegs gewesen. Ursel aus unserer Fahrradgruppe ging auf Kurt Bodewig zu und sagte ihm: "Wir duzen uns hier alle in der Gruppe" (sprich: "es gibt keine Sonderbehandlung für Politiker!"). Kurt Bodewig bot das "Du" jedoch auch von sich aus an. Nach einer herzlichen Begrüßung ging es dann auf die Fahrräder.
Das Kamerateam entschloss sich auf der heutigen Tagesetappe von Klaipeda über das Seebad Palanga zum Zemaitija-Nationalpark in Niederlitauen, die fahrende Radgruppe aus dem VW-Bus heraus zu filmen, bzw. an markante Orte vorzufahren, um dort die Fahrradgruppe beim Einradeln zu filmen. Gleichzeitig gab es eine kleine Mobilkamera, die bei Kurt Bodewig oder einem anderen Radler aus unserer Gruppe am Fahrrad angebracht wurde, und "Action-Aufnahmen" vom Radfahren liefern sollte.
Endlich geht`s los. Die erste Klappe fällt! Aufnahme! Wir drehten mit dem Fahrrad ein paar fotogene Runden auf dem Theaterplatz um das "Ännchen von Tharau", dem Wahrzeichen von Klaipeda. Dann radelten wir auf einem Fahrradweg durch die Vorstadt des alten Memels aus Klaipeda heraus in Richtung Palanga. Die morgendliche Bewölkung löste sich allmählich auf, die Sonne übernahm für den Rest des Tages das Regiment.
Nach 15 Fahrradkilometern legten wir auf einer Wiese in Karkle unseren ersten Erfrischungsstopp ein. Für die Radler gab es dort Wasser, Säfte, Kaffee, Tee, Obst und Knabberzeug, darunter das typisch litauische Röstbrot, welches mit Knoblauch versetzt ist.
Weiter ging es mit einer dezenten Knoblauchfahne auf einem wunderbar glatten Fahrradweg durch herrliche Dünen- und Waldlandschaft nach Palanga, dem reizvollen und beliebten Seebad an der litauischen Bernsteinküste.
Vor der Seebrücke in Palanga wartete das Kamerateam bereits auf die einfahrenden Radler. Hier in Palanga machten wir eine gut einstündige Mittagspause. Es herrschte dort eine unbeschwerte Urlaubsatmosphäre, aufgrund des sonnigen Wetters, der blauen Ostsee und den zahlreichen überwiegend litauischen Feriengästen.
Kurt Bodewig wurde vom Kamerateam auf die Seebrücke begleitet. Bei all den zeitaufwendigen Interviews kam unser ehemaliger Verkehrsminister gerade einmal dazu, ein Eis zum Mittag zu sich zunehmen, wie er mir später scherzhaft mitteilte.
Nach der Mittagspause fuhren wir vom Ortsrand in Palanga mit dem Reisebus in den ca. 60 km östlich von Palanga gelegenen Zemaitija-Nationalpark. Zuvor mussten jedoch erstmal sämtliche Fährräder auf den Anhänger des Landpartie-Gespanns geladen werden. Unter Mithilfe starker Männer aus unserer Fahrradgruppe ging die Verladung zügig über die Bühne.
Nach der Ankunft in Plateliai, dem Hauptort im Zemaitija-Nationalpark, besichtigte die Gruppe die örtliche, innen reichlich ausgeschmückte Holzkirche. Per Fahrrad machten wir uns dann auf zu einem Aussichtspunkt, der ein traumhaftes Panorama über den Plateliai-See freigab. Dort wurde die Schlussszene mit uns Radlern gedreht.
Um den Charakter des ländlichen Litauens mit der Kamera einzufangen, bat uns das Kamerateam, auf einer Wiese an angepflockten Kühen vorbei zu radeln. Die Kühe schauten bei unserem Anblick sehr verdutzt drein. So viele Menschen auf einmal sieht man (und Kuh) eher selten in dieser Region Litauens.
Nach der Verabschiedung des Kamerateams sind wir noch 11 km am südlichen Ufer des Plateliai-See auf einer asphaltierten Nebenstraße, einer echten "Fahrrad-Rennstrecke", zu unserem nachmittäglichen Treffpunkt geradelt. Im Laufe der Radreise hat sich gezeigt, dass unsere Fahrradgruppe sehr schnell unterwegs ist, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über 20 km pro Stunde.
Im Vorfeld der Begegnung mit Kurt Bodewig dachten wir uns natürlich, ob ein Politiker, der sich vornehmlich von Büro zu Büro bewegt (dies ist ein Klischee-freier Beitrag!), mit diesem hohen Radeltempo mithalten könne. Kurt Bodewig kam nach einem finalen Spurt schließlich als Fünfter von 25 Radlern am Treffpunkt an. Er hat damit seine "sportliche Aufnahmeprüfung" in unsere Fahrradgruppe bestanden - sogar mit Bravour. Jetzt war Kurt Bodewig nicht nur von der menschlichen Seite, sondern auch unter sportlichen Aspekten einer von uns.
Kurt Bodewig radelte mit unserer Fahrradgruppe noch zwei weitere Tage bis nach Riga mit.
Und wenn er Zeit und Lust hat, darf uns Kurt Bodewig auch im nächsten Jahr auf der 3. Etappe von Riga nach St. Petersburg begleiten ...